Bewegung im Büroalltag: Kleine Schritte, grosse Wirkung
«Wenn wir jedem Individuum das richtige Maß an Nahrung und
Bewegung zukommen lassen könnten, hätten wir den sichersten Weg zur Gesundheit gefunden.» – Hippokrates
Seit der Mensch gehen kann, nimmt die Bewegung im Alltag eine unverzichtbare Rolle ein: Jäger und Sammler mussten durch den Wald streifen, um Beeren, Wurzeln und Knollen zu sammeln oder einen Büffel, ein Pferd oder sonstige Tiere zu verfolgen und zu erlegen. Zu dieser Zeit war Bewegung integraler Bestandteil eines jeden Menschen, egal wo er/sie gelebt hat und wie alt er/sie war. Vor allem durch die industrielle Revolution und die Anreicherung von Wohlstand in der westlichen Welt veränderten sich Arbeitsmodus und -umfeld. Auch durch neue Möglichkeiten zur Transportation und durch die Urbanisierung wurden die Wege zur Beschaffung der wichtigsten Güter kürzer. Obwohl dies unbestritten viele Vorteile mit sich bringt, gibt es auch einen gewaltigen Nachteil: Wir bewegen uns nicht mehr, mit gravierenden Folgen.
Der folgende Beitrag soll diese Folgen aufzeigen und praktische Lösungen bieten, mit denen auch Sie Bewegung in Ihren Büroalltag integrieren und Ihre Energie und Ihr Wohlbefinden auf ein neues Level heben können.
Folgen von Inaktivität
Körperliche Inaktivität verursacht oder begünstigt eine Fülle von negativen Gesundheitskonsequenzen wie beispielsweise Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit), Typ-2 Diabetes, Bluthochdruck und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Krankheiten werden nicht-übertragbare Krankheiten (engl. Non-communicable diseases, NCDs) genannt. Aufgrund des grossen Einflusses von körperlicher Inaktivität auf viele NCDs, rangiert körperliche Inaktivität weltweit auf Platz 4 der Risikofaktoren für einen frühzeitigen Tod (Kohl, 2012). Auch in der Schweiz sind NCDs weitverbreitet: Im Jahr 2017 waren 2.3 Millionen Schweizerinnen und Schweizer von NCDs betroffen. So ist es auch nicht erstaunlich, dass 80 % der Schweizerischen Gesundheitskosten von NCDs verursacht werden (52 Mrd. CHF direkte Kosten in 2011; Bundesamt für Gesundheit, 2024). Weiterhin sind NCDs die häufigste Todesursache in unserer Gesellschaft: Mehr als 4 von 5 Todesfällen werden NCDs zugeschrieben. Auf körperliche Inaktivität zurückzuführen sind davon jährlich 2’900 vorzeitige Todesfälle und 2.4 Mrd. direkte Behandlungskosten (Bundesamt für Sport, 2013).
Schon wenig Bewegung hilft, NCDs vorzubeugen
Zugegeben, es scheint nicht ganz so einfach, genügend Bewegung in unseren Alltag zu integrieren. Wir verbringen einen grossen Teil unserer Zeit sitzend im Büro vor einem Bildschirm, pendeln mit dem Auto oder dem Zug hin- und zurück und können dann am Abend unser Essen direkt vor die Haustür bestellen. Warum sollten wir uns denn noch bewegen?
Für Gesundheit und Wohlbefinden empfiehlt die WHO für Erwachsene 150 – 300 Minuten Bewegung mit mittlerer Intensität pro Woche, oder 75 – 150 Minuten mit hoher Intensität (siehe bspw. Bundesamt für Sport, 2022). Dabei entspricht “mittlere Intensität” einer Aktivität, bei der das Herz beginnt, schneller zu schlagen und sich die Atmung intensiviert (bspw. zügiges Gehen, Radfahren, Treppensteigen). In der Regel kommt man dabei noch nicht ins Schwitzen und man kann problemlos eine Konversation führen. “Hohe Intensität” entspricht einer Aktivität, bei der man ins Schwitzen kommt und das Führen einer Konversation durch die intensivere Atmung erschwert wird (bspw. Tanzen, Fussball spielen, Schwimmen). Durch Einhaltung dieser Empfehlungen kann ein signifikanter Nutzen auf die Gesundheit erzielt und Gesundheitsrisiken (bspw. NCDs) reduziert werden.
Jedoch wichtiger bei den neusten Bewegungsempfehlungen ist der Leitsatz: Jede Bewegung ist besser als keine, und mehr ist besser. Für Sportmuffel kann es also einfacher sein, durch kleine Anpassungen im Alltag grosse Vorteile zu bewirken, anstatt sich strikt an einen konventionellen Trainingsplan zu halten. Es braucht dabei nicht viel: Menschen mit Übergewicht können bereits ab 8 Minuten zügigem Gehen pro Tag (bei dem man leicht beginnt zu Schwitzen) das Risiko auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 20 % senken (Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2019). Weiterhin senken bereits ca. 2’400 Schritte pro Tag die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ca. 4’000 Schritte die Gesamtsterblichkeit. Und noch ein letztes Argument: Schon kurze bewegte Pausen steigern die Aufmerksamkeit (Niedermeier et al., 2020) und die Stimmung, während Gefühle von Müdigkeit vermindert werden (Bergouignan et al., 2016).
Bewegungssnacks für den Büroalltag
Um Ihren Bewegungszielen Schritt für Schritt näher zu kommen, finden Sie nachfolgend einige einfach umsetzbare Ideen, wie Sie Ihren Alltag bewegter gestalten können:
- Langes Sitzen unterbrechen: Ungefähr im 30 Minuten-Rhythmus zwischen Sitzen und Stehen abwechseln. Sind Sie im Home-Office und haben kein Stehpult zur Verfügung? Schnappen Sie sich eine Kartonschachtel oder einen Wäschekorb und stellen Sie ihn auf den Tisch. Fertig ist Ihr improvisiertes Stehpult. Jedoch ist den ganzen Tag stehen auch nicht besonders angenehm. Denken Sie also daran: Die nächste Position ist die Beste! Wechseln Sie daher häufig Ihre Arbeitsposition.
- Treppe anstatt Lift: Keine bahnbrechende Neuigkeit, aber hoch effektiv: Tägliches Treppensteigen verringert das Risiko für das metabolische Syndrom (Kombination von gestörtem Kohlenhydratstoffwechsel, Bluthochdruck, gestörtem Verhältnis der Lipoproteine und Adipositas) (Whittaker et al., 2021). Es kann dazu beitragen, das Körpergewicht zu reduzieren und die körperliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen (Michael et al., 2021) und folglich die Gesamtsterblichkeit zu reduzieren (Boreham et al., 2005).
- Walk-and-Talk: Für viele Arbeitnehmende gehören zahlreiche Meetings pro Woche zum Standard. Darunter fallen auch Meetings, die lediglich zum Austausch dienen. Diese eignen sich besonders, um mit einem kleinen Spaziergang im Park kombiniert zu werden. Wenn zudem noch das Team dazu ermutigt wird, beim Austausch in Bewegung zu sein, fällt es noch leichter und die 30 Minuten Bewegung pro Tag sind im Kasten.
- Bewegung in der Pause: Gibt es nicht einen Wahnsinns-Kaffeeladen 500 Meter vom Büro entfernt? Schnappen Sie sich ein Teamgspänli und holt euch zusammen einen leckeren Kaffee, Bewegung inbegriffen. Keine Sorge, die paar Minuten mehr, um den Kaffee zu holen, holen Sie mit dem Energieboost durch den Spaziergang locker wieder auf!
- Bonus-Tipp: Besorgen Sie sich eine kleinere Wasserflasche, so dass Sie öfter den Weg zum Wasserhahn laufen müssen.
Referenzen
Boreham, C. A. G, Kennedy R. A, Murphy M. H, Tully, M., Wallace, W. F. M., & Young, I. (2005). Training effects of short bouts of stair climbing on cardiorespiratory fitness, blood lipids, and homocysteine in sedentary young women. British Journal of Sports Medicine, 39, 590-593.
Bundesamt für Gesundheit. (2024, Januar).Zahlen und Fakten zu nichtübertragbaren Krankheiten. https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/zahlen-und-statistiken/zahlen-fakten-nichtuebertragbare-krankheiten.html
Bundesamt für Sport BASPO, Bundesamt für Gesundheit BAG, Gesundheitsförderung Schweiz, bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung, Suva, Netzwerk Gesundheit und Bewegung Schweiz. (2013). Gesundheitswirksame Bewegung. BASPO 2013.
Bundesamt für Sport BASPO, Bundesamt für Gesundheit BAG, Gesundheitsförderung Schweiz, Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU & Netzwerk Gesundheit und Bewegung Schweiz hepa. (2022). Bewegungsempfehlungen Schweiz. Grundlagen. BASPO.
Bundesministerium für Bildung und Forschung. (2019, September). Sport senkt Herz-Kreislauf-Risiko – auch ohne abzunehmen. https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/kurzmeldungen/de/sport-senkt-herz-kreislauf-risiko.html#searchFacets
Bergouignan, A., Legget, K.T., De Jong, N.P., Kealey, E.H., Nikolovski, J., Groppel, J.L., Jordan, C., O’Day, R., Hill, J.O., & Bessesen, D.H. (2016). Effect of frequent interruptions of prolonged sitting on self-perceived levels of energy, mood, food cravings and cognitive function. The International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity, 13, Article 113.
Kohl, H. W., Craig, C. L., Lambert, E. V., Inoue, S., Alkandari, J. R., Leetongin, G., & Kahlmeier, S. (2012). The pandemic of physical inactivity: global action for public health. The Lancet, 380(9838), 294-305. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(12)60898-8
Michael, E., White, M. J., & Eves, F. F. (2021). Home-Based Stair Climbing as an Intervention for Disease Risk in Adult Females; A Controlled Study. International Journal of Environmental Research and Public Health, 18(2). Article 603 https://doi.org/10.3390/ijerph18020603
Niedermeier, M., Weiss, E.M., Steidl-Müller, L., Burtscher, M., & Kopp, M. (2020). Acute Effects of a Short Bout of Physical Activity on Cognitive Function in Sport Students. International Journal of Environmental Research and Public Health, Article 17.
Whittaker, A. C., Eves, F. F., Carroll, D., Roseboom, T. J., Ginty, A. T., Painter, R. C., & de Rooij, S. R. (2021). Daily stair climbing is associated with decreased risk for the metabolic syndrome. BMC Public Health 21, Article 923. https://doi.org/10.1186/s12889-021-10965-9
Veröffentlicht am 31.10.2024