Zusammenarbeit Case Managerin und Arzt: ein gemeinsames Ziel
Eine gute Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Case Managern ist wichtig, um eine umfassende und gut abgestimmte Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Ärzt:innen liefern medizinische und diagnostische Expertise, während Case Manager:innen ihre Kenntnisse über Ressourcen, Versicherungen und soziale Unterstützung einbringen. Gemeinsam kann sichergestellt werden, dass erkrankte oder verunfallte Personen die richtige Behandlung erhalten, die Kosten nicht vergessen werden und der Heilungsprozess optimal unterstützt und koordiniert wird.
Wie sieht das in der Praxis aus? Aufgrund eines gemeinsamen Falles war der dabei involvierte Psychiater, Dr. Charles-Edouard Rengade, bereit, den XpertCenter Case Managerinnen Claire-Lyse Jaquet und Isabelle Pellet einige Fragen zu beantworten.
Das vorliegende Interview fand auf Französisch statt und zeigt die Stärken einer solchen Zusammenarbeit aus Sicht eines Psychiaters auf.
Zur Person: Dr. Rengade beschreibt sich selbst als eher pragmatischen Psychiater, der die Vorteile der Interdisziplinarität zu schätzen weiss. Er hat langjährige Erfahrung in der Begleitung von erkrankten Personen und auch bereits mehrere Fachbücher geschrieben.
Was verstehen Sie unter dem Begriff «Case Management»? «Das Case Management setzt auf Empowerment der betreuten Person und orientiert sich stark an deren Ressourcen. Die Case Managerin oder der Case Manager ist eine Vertrauensperson der betroffenen Person und ein Sprachrohr für das beteiligte Umfeld. Über einen begrenzten Zeitraum verfolgt sie oder er ein mit der Patientin oder dem Patienten gemeinsam definiertes Ziel. Das Case Management hat Verhandlungsfähigkeiten, die für die betroffene Person sehr nützlich sind. Durch eine längere Arbeitsunfähigkeit kann schnell der Bezug zu Gesellschaft und Arbeitswelt verloren gehen. Stellt man rechtzeitig die richtigen Fragen, kann dies verhindert werden».
Inwiefern hat die Zusammenarbeit mit der Case Managerin und deren Präsenz im Fall Ihrer Patientin geholfen? «Durch die Einbindung des Case Managements konnten gewisse Massnahmen der Invalidenversicherung schneller umgesetzt und Themen aus dem Umfeld der Patientin an die Hand genommen werden – zum Beispiel Schwierigkeiten am Arbeitsplatz. Diese können sich nämlich sehr stark auf die psychische Gesundheit auswirken. Der Einsatz der Case Managerin hat der Patientin geholfen, die verschiedenen Ursachen von Stress differenziert zu betrachten und ihre Verantwortung und ihren Handlungsspielraum besser zu definieren. Derzeit ist die Patientin wieder Schritt für Schritt auf dem Weg zurück ins Arbeitsleben und zurück zu ihrem persönlichen Gleichgewicht».
Was haben Sie als Arzt von der Präsenz einer Case Managerin? Und die Patientin oder der Patient? «Als Spezialist:in bringt der/die Case Manager:in eine andere Sichtweise ein. In Ergänzung zu den medizinischen Faktoren kann sie das erweiterte Umfeld der Patientin beurteilen. Für die Patientinnen und Patienten kann die Unterstützung und die Präsenz eines Case Managers eine Quelle für Kreativität sein. Ausserdem kann sich so das gesamte Netzwerk besser positionieren. Allerdings ist eine gute Abstimmung wichtig. Dazu sollten sich die verschiedenen Beteiligten nach Möglichkeit persönlich treffen».
Wozu kann es sinnvoll sein, dass eine Case Managerin oder ein Case Manager an einem Arzttermin teilnimmt? «Um eine kohärente Behandlung durch die Berücksichtigung des Umfelds der Patientin zu ermöglichen. Das Case Management erleichtert die Umsetzung von Veränderungen, hilft den Betroffenen ihren Sichtwinkel zu erweitern und Gegebenheiten zu hinterfragen. Es wirkt oft auch entstigmatisierend».
Wann oder unter welchen Umständen, denken Sie als Psychiater, sollte ein Case Management eingesetzt werden? «Das Case Management ist insbesondere dann sehr hilfreich, wenn die psychischen Probleme unter anderem auf Beziehungen oder das Arbeitsumfeld zurückzuführen sind. Psychosoziale Risiken können dadurch gut in den Griff bekommen werden».
Was könnte noch verbessert werden? «Das Case Management wird noch zu selten eingesetzt. Eine systematischere Anwendung wäre wünschenswert».
Wie kann man Ihre Kolleginnen und Kollegen von einer solchen Zusammenarbeit überzeugen? «Viele Psychiaterinnen und Psychiater befürchten vor allem die Einmischung der Versicherer in ihre Behandlung. Sie müssten diesbezüglich aufgeklärt werden. Ausserdem muss die Frage des Berufsgeheimnisses sowie der Informationsweitergabe in Bezug auf die Patientinnen und Patienten geklärt sein. Es ist wichtig, dass die Patientin oder der Patient das Vertrauensverhältnis zwischen Case Management und Ärztin bzw. Arzt spürt, damit die Zusammenarbeit funktioniert».